Attrappen (Fortsetzung)

Es gibt jetzt so viele Leute, die privat versucht haben, sich als S.I.-Mitglied auszugeben, dass wir darauf verzichtet haben, die Namen von allen aufzuzählen, auf die wir aufmerksam gemacht worden sind. Die Liste würde zu lang und trotzdem unvollständig sein; sie könnte sogar dazu benutzt werden, die authentisch erscheinen zu lassen, die nicht namentlich in ihr genannt werden. Uns genügt es, darauf hinzuweisen, dass es in Frankreich keinen Situationisten außerhalb von Paris (und vor allem nicht in Strassburg) gibt. In Paris selbst ist es wirklich nicht schwer, im Bilde zu sein, schon allein wenn man keine große Lust verspürt, getäuscht zu werden, oder eine außergewöhnliche Urteilskraft hat.

Etliche Leistungen falscher Situationisten sind übrigens mit größerer Wahrscheinlichkeit einfach völlig erdichtet bzw. von ihren vermeintlichen ‘Opfern’ aus irgend etwas aufgebaut worden. So ging z.B. im Juni 1968 das Gerücht um, dass ein Professor namens Jankélévitch erklärte, er habe einen sehr beleidigenden, von der S.I. unterzeichneten Brief erhalten. Wir müssen zugeben, dass wir das Werk und die Existenz eines so bedeutenden Philosophen wie Professor Jankélévitch fast vollständig ignorieren. Wir haben ihm nie geschrieben, und wir werden ihn höchst wahrscheinlich weiter nicht lesen. Vielleicht möchte er gegenüber seinen Studenten modern genug sein, um auch von den Situationisten beschimpft zu werden. Dafür können wir aber nichts. Keine Favoriten!

Verschiedene Schrumpfköpfe der aktuellen Pleite der modernistischen literarischen Kreise - und besonders Marguerite Duras - haben zu gleicher Zeit behauptet, es seien ‘Situationisten’ zu ihnen nach Hause gekommen, die sie stolz um 100 Francs gebeten hätten, um ihre revolutionäre Aktion zu unterstützen. Kein vernünftiger Mensch kann einen einzigen Augenblick daran glauben, dass die Situationisten je für ihre Finanzierung gesorgt haben, indem sie Zigarettenstummel auflesen - und noch dazu von Leuten, die sie verachten.

Was den ‘argumentistischen’ Philosophen Kostas Axelos betrifft, soll er in seinem Wohnsitz von vier, sieben und sogar fünfzehn situationistischen Rockern (die Zahl ist variabel) terrorisiert und schließlich ausgeraubt worden sein. Nachdem er den wilden Streich dieser Verbrecher überall erzählt hatte, hat er uns diese ‘Umtriebe faschistischer und stalinistischer Art’ sogar schriftlich vorgeworfen. Dieser Philosoph schreibt uns ja gern. Wie üblich haben wir mit einigen Beschimpfungen und der Versicherung geantwortet, wir wollten seinen Verleumdungsbrief veröffentlichen. Vermutlich sah Axelos ein, dass wir nicht bei dieser Veröffentlichung bleiben würden: auf jeden Fall schrieb er uns wieder und bat uns, seinen vorherigen Brief mit dem Vorwand nicht zu veröffentlichen, er könnte einigen seiner Freunde und ihm selbst bei einem Streit schaden, den diese mit Leuten haben, die gewiss schlimmer als Axelos seien. Obwohl wir dieses Argument für sehr wenig überzeugend hielten, wollten wir uns nicht den geringsten Anschein geben, diesem Menschen auf diesem Gebiet geschadet zu haben. So werden unsere Leser leider die pittoreske Beschwerde des Philosophen nicht genießen können.

Einige Leute sollen geglaubt haben, dass Hubert Tonka, der im Juni 1968 die ‘Fiktion der entfremdeten Kontestation’ betitelten Comix beim Verlag Pauvert veröffentlicht hat, ein Situationist sei. Dieses Modewerkchen beansprucht natürlich, eine Parodie zu sein, obwohl das Talent die Absicht bei weitem nicht fördern konnte. Obwohl Tonka überhaupt keine Beziehungen zur S.I. hat, wäre es trotzdem ganz und gar unlogisch, daraus zu folgern, dass er sich an den Verfolgungen beteiligt hätte, über die sich Kostas Axelos beklagt.