Beschreibung der gelben Zone

Dieser am Stadtrand gelegene Häuserblock hat seinen Namen von der Farbe eines größeren Teils seiner Bodenfläche - besonders am zweiten Stockwerk auf der Ostseite. Dadurch wird die eher fröhliche Stimmung noch verstärkt, die ihn zur Gestaltung als Spielzone von vornherein besonders anpassungsfähig macht. Die verschiedenen Ebenen - drei auf der Ost- und zwei auf der Westseite - werden von einem sich vom Boden ablösenden Metallbau getragen. Für die Tragkonstruktion der Stockwerke und der inneren Gebäude wurde Titan verwandt - für das Mauerwerk und die Verkleidung der Wände bzw. Trennwände Nylon. Durch die Leichtigkeit dieser Konstruktion lässt sich nicht nur der minimale Gebrauch von Trägern erklären, sondern auch die große Geschmeidigkeit bei der Handhabung der verschiedenen Teile und das vollständige Verschwinden der Massen. Der Metallbau kann als Grundlage für die Anordnung von auswechselbaren und auseinandernehmbaren Grundelementen bzw. Möbelstücken dienen, die den ständigen Wechsel der Szenerie fördern. Folglich beschränkt sich die folgende Schilderung auf den allgemeinen Einrichtungsrahmen. Wegen der Bauweise mit übereinanderliegenden Ebenen muss der größte Teil der Fläche künstlich beleuchtet und mit Klimaanlagen ausgestattet werden. Nirgends ist jedoch versucht worden, die natürlichen Verhältnisse nachzuahmen, sondern es wurde im Gegenteil aus diesem Umstand Vorteil geschlagen, indem man Klimaverhältnisse und Beleuchtungsverfahren erfand. Das ist ein wesentlicher Bestandteil der Umgebungsspiele, die eine der Attraktionen der gelben Zone ausmachen. Bemerkenswert ist übrigens auch, dass man an vielen Stellen plötzlich unter freiem Himmel steht.

In diesem Stadtteil kann man auf dem Luftweg ankommen, da die Terrasse Landungsgelände anbietet; oder mit dem Wagen auf der Bodenebene; oder schließlich mit dem unterirdischen Zug - je nach den Entfernungen. Auf der nach allen Richtungen durch Autobahnen durchschnittenen Bodenebene gibt es außer einigen den ganzen Bau tragenden Pfahlwerken und einem runden, sechsstöckigen Gebäude (A), das den frei schwebenden Teil der Terrasse stützt, kein Bauwerk. In diesen Trägern, um die herum Parkplätze für Transportmittel vorgesehen wurden, sind Fahrstühle eingebaut, die zu den Stockwerken bzw. zum Untergeschoss der Stadt führen. Das technische Dienststellen beherbergende Gebäude (A) ist vom übrigen Baublock getrennt und nur von der Terrasse oder vom Erdgeschoss aus zugänglich. Sonst steht im Inneren alles in Verbindung und bildet einen großen gemeinsamen Raum, aus dem nur zwei Gebäude ausgenommen werden sollen (B und C), die an der Stadtperipherie liegen und Wohnungen enthalten. Zwischen diesen beiden Wohngebäuden, deren Fenster zur Landschaft liegen, steht im nordöstlichen Stadtviertel und oberhalb der oberen Terrasse die große Ankunftshalle (D), ein mit Aluminiumblech bedeckter Metallbau von ziemlich freier Form, in dessen zwei Stockwerken sich der Personenbahnhof und die Depots für Warenverteilung befinden. Während diese Halle noch im Freien steht, ist der innere Teil des Baublocks selbst ganz überdeckt.

Der östliche Teil ist senkrecht in zwei bedeckte Stockwerke und den Terrassenteil, wo der Flughafen liegt, geteilt. Mittels beweglicher Trennwände werden die Stockwerke in viele untereinander verbundene Räume eingeteilt - waagerecht wie auch durch Treppen senkrecht -, deren abwechselnde Umgebungen ständig von situationistischen Gruppen umgeändert werden, die mit den technischen Dienststellen in Verbindung stehen. Dort werden vor allem intellektuelle Spiele praktiziert.

Auf den ersten Blick erscheint der westliche Teil komplizierter. Dort befinden sich das große und das kleine Labyrinthhaus (L und M), die die alte Macht des baukunstmäßigen Durcheinanders wieder aufnehmen und sie sogar weiterentwickeln: die Wasserspiele (G), den Zirkus (H), den grossen Tanzplatz (N), den weissen Platz (F), unter dem der grüne Platz hängt, von dem aus man eine herrliche Aussicht auf den unten vorbeiziehenden Autobahnverkehr genießen kann.

Die beiden Labyrinthhäuser bestehen aus vielen Zimmern mit unregelmäßigen Formen, Wendeltreppen, verlorenen Winkeln, freien Geländen und Sackgassen. Dort geht man in die Irre: man kann sich in dem mit Isolierstoff verkleideten ‘tauben Saal’ wiederfinden; in dem grellen Zimmer mit seinen lebhaften Farben und überwältigendem Schall; im Zimmer mit dem Echo (bewirkt durch ein Spiel mit Radiosendern); im Bilderzimmer (Spiel mit Filmen); im Zimmer der Überlegung (das Spiel der psychologischen Einflüsse); im Zimmer der Ruhe; im Zimmer der erotischen Spiele; des Zusammentreffens usw. Durch ein längeres Verweilen in diesen Häusern wird so etwas wie eine heilsame Gehirnwäsche bewirkt, die oft praktiziert wird, um die eventuell entstehenden Gewohnheiten auszulöschen.

Die Wasserspiele befinden sich zwischen diesen beiden Häusern und im Freien, da es in der darüberliegenden Terrasse an dieser Stelle eine Öffnung gibt, durch die der Himmel zu sehen ist. Wasserstrahler und Brunnen sind dort unter Hecken und Bauten mit seltsamen Formen zu finden - wie z.B. einer geheizten, gläsernen Grotte, in der mitten im Winter beim Betrachten der Sterne gebadet werden kann.

Die Passage K, die anstatt mit Fenstern mit breiten optischen Linsen versehen ist, durch die die Aussicht auf den nächsten Häuserblock riesig vergrößert wird, führt zum großen Tanzsaal. Man kann auch auf den Terrassen um die Wasserspiele gehen, die über dem etwas weiter unten zu sehenden weißen Platz hängen, auf dem Kundgebungen stattfinden, und die auch zum grünen Platz des unteren Stockwerks führen. Unter diesem Platz kann man öffentliche Transportmittel finden, die zu anderen Vierteln fahren.

CONSTANT

Die gelbe Zone ist die erste Reisebeschreibung der ‘Spaziergänge durch Neu-Babylon’, eines Reiseführers durch Häuserblockmodelle, deren Zusammenstellung ein Modell der ‘bedeckten Stadt’ bildet. In der 3. Nummer dieser Zeitschrift hat Constant die grundsätzlichen Prinzipien dieser besonderen Hypothese des unitären Urbanismus formuliert.