Die 8. Konferenz der S.I.

Die nächste S.I.-Konferenz findet Ende September 1969 in Italien statt.

Bei der Gelegenheit wollen wir genaue Einzelheiten über die vergangene und jetzige Organisation der S.I. mitteilen. Besonders damit die seltsame Legende unserer hierarchischen und diktatorischen Organisation beseitigt wird, die belustigenderweise mit der anderen (durch alle unsere Texte schon widerlegten) einhergeht, nach der wir theoretisch einen reinen Spontaneismus, was die Aktion der Massen betrifft, befürworten würden. Das märchenhafteste Schema dieser vermeintlichen Entwicklung der S.I. zum Zentralismus kann man in dem in jeder Hinsicht haarsträubenden Artikel von Robert Estival, einem Forscher beim CNRS, in der Nummer 12 der Zeitschrift ‘Communications’ finden. Von einem selbstverständlich falschen Zitat aus ‘S.I.’ Nr.3 ausgehend - “eine föderalistische, auf der nationalen Autonomie beruhenden Auffassung der S.I. war von Anfang an durch den Einfluss der stalinistischen Sektion (sic!) erzwungen worden” -, stellt der Verfasser fest, dass dieser Föderalismus zugunsten eines ‘Zentralrates’ aufgegeben wurde, der “bald…durch die Konferenz mit der ganzen Macht versehen werden sollte”. Dann kommt das eigentliche Ziel: “Schließlich macht die Diktatur dieses Zentralrates es Debord möglich, die S.I. selbst direkt zu leiten.”

Um diese wahnsinnige Gedankenfolge hier zu verlassen, die anderswo sogar zu verstehen gibt, dass dieser lästige Debord ganz allein die Mai-Bewegung angestiftet und sogar deren Niederlage verursacht habe (”die Strassburger Aktion, eine Generalprobe für die späteren in Paris” - “Merken wir uns nebenbei Debords ausgesprochene Neigung zum Wort ‘international’” - “die S.I. ist hauptsächlich Debords Werk” - “Die psychologische Umstellung ist nicht gemacht worden, darauf folgt unserer Meinung nach der Irrtum der S.I. und folglich der Misserfolg der studentischen Neo-Sozialdemokratie im Mai 1968″), kommen wir zu einer ‘Wirklichkeit’ zurück, die der psychologisch-polizeilichen Geschichtsauffassung von Estival ziemlich fremd ist. Die S.I. hatte bis heute nie - und dies war völlig absichtlich - mehr als 25 bis 30 Mitglieder - und oft weniger -, wodurch alle diese Geschichtchen über die enteignete und von oben befehligte ‘Basis’ schon wieder in ein wahrheitsgemäßeres Licht gesetzt werden. Die Beteiligung selbständiger Individuen ist unsere ständige, wenn auch durch die wirklichen Fähigkeiten einiger nicht immer erreichte Forderung gewesen. In einer ersten Periode sind unsere verschiedenen nationalen Gruppen tatsächlich auf der Basis einer sehr allgemeinen Übereinstimmung vollständig autonom gewesen, nicht nur in der Praxis, sondern auch in den Auffassungen selbst über das, was die S.I. werden konnte, obwohl sie sich mit den vorhandenen Richtungen nicht gedeckt haben. Diese Gruppen haben sich geändert, ohne dass jemals mehr als drei gleichzeitig effektiv tätig waren (am öftesten in Deutschland, Frankreich und Holland). Der Zentralrat wurde auf der Londoner Konferenz als ein Delegiertenrat eingerichtet, der alle zwei bis drei Monate zusammenkommen sollte, um die Aktivitäten unserer Gruppen zu koordinieren, und außerhalb dieser Zusammenkünfte überhaupt nicht mehr existierte. Wenn auch von der Konferenz ernannt, wurden die Delegierten ab und zu vor einer Zusammenkunft durch andere, von ihrer Gruppe gesandte Mitglieder ersetzt. Seit der Göteborger Konferenz fand eine lebhafte Auseinandersetzung innerhalb der S.I. statt, die man allzusehr vereinfachen würde, wollte man sie als die Opposition zwischen den ‘Künstlern’ und den ‘Revolutionären’ bezeichnen, die sich aber im Großen und Ganzen mit einem derartigen Zusammenstoß deckte. Die theoretische Diskussion wurde lange und äußerst demokratisch geführt, jedoch führten 1962 schließlich in der Praxis absolut abweichende Manifestationen der ‘Künstler’, ihr Bruch mit jeder Solidarität und ihre Lossagung von genauen Verpflichtungen - obwohl sie dabei in der S.I. bleiben und sie durch ihre eigenen Entscheidungen als ganze kompromittieren wollten - zu ihrem Ausschluss. Zu dieser Zeit stellte die VI.Konferenz in Antwerpen fest, dass eine kohärente theoretische Vereinheitlichung stattgefunden hatte. Infolgedessen wurde die Frage aufgebracht, den Zentralrat aufzulösen, der letztlich nur deshalb aufrechterhalten wurde, um auf die Verbindung der Genossen mit der echten S.I. hinzuweisen, die in Skandinavien gegen den Werbungsbetrug der Nashisten kämpften, die eine Zeitlang noch behaupteten, in den Stockholmer Kunstgalerien und Zeitungen die S.I. zu vertreten. Sobald der Nashismus verschwunden war, wurde dieser Zentralrat nie mehr erwähnt, bis er 1966 bei der Pariser Konferenz ohne Diskussion förmlich abgeschafft wurde. Nach 1962 hatte die S.I. geschrieben, sie betrachte sich als eine einzige, vereinte Gruppe, obwohl mehrere Genossen in Europa geographisch verstreut seien, und die wesentliche Aktivität dieser Gruppe wurde in Frankreich organisiert, wo die Zeitschrift erschien, die ihre hauptsächliche Veröffentlichung war (und die folglich schon seit der Nummer 9 nicht mehr den Untertitel ‘Zentralbulletin’ hatte). Unsere Absicht war es natürlich, von der durch diese kohärente Gruppe erreichten Basis auszugehen, um erneute nationale Sektionen zu bilden, die eine wirkliche autonome Tätigkeit gehabt hätten. Der erste Ansatz brach in England in genau dem Augenblick zusammen, in dem er als Gruppe zu existieren beginnen sollte (vgl. hier die Notiz über ‘die letzten Ausschlüsse’). Erst 1968/69 war die S.I. wieder aus nationalen Sektionen zusammengesetzt, die jeweils eine Zeitschrift herausgaben (selbstverständlich gab es also nie eine ‘Strassburger Gruppe’, sondern bis Anfang 1967 nur einige S.I.-Mitglieder in dieser Stadt).

Zur Zeit ihrer 8.Konferenz ist die S.I., obwohl sie Genossen aus ungefähr zehn verschiedenen Ländern zusammenschließt, organisatorisch nur in vier Sektionen - die amerikanische, französische, italienische und skandinavische - unterteilt.