Die Abenteuer des parzellierten Resultats

Freud meinte, dass die Entdeckungen der Psychoanalyse letztlich für die herrschende soziale Ordnung unannehmbar seien - für jede auf eine unterdrückende Hierarchie gegründete Gesellschaft. Aber Freuds ‘zentristische’ Position, die aus seiner absoluten und überzeitlichen Identifizierung der ‘Zivilisation’ mit der Unterdrückung durch die Ausbeutung der Arbeit folgte, und also seine Handhabung einer teilweisen kritischen Wahrheit innerhalb eines nicht kritisierten globalen Systems führten die Psychoanalyse dazu, offiziell unter allen verkommenen Varianten, die sie inspirieren kann, ‘anerkannt’ zu werden, ohne jedoch in ihrer ganzen Wahrheit - d.h. ihrer möglichen kritischen Anwendung - akzeptiert zu werden. Natürlich ist dieser Misserfolg nicht gerade Freud zuzuschreiben, sondern vielmehr dem Zusammenbruch der revolutionären Bewegung in den 20er Jahren als der einzigen Kraft, die die kritischen Möglichkeiten der Psychoanalyse zur Verwirklichung hätte bringen können. Die in Europa folgende Periode der äußersten Reaktion verdrängte sogar die Befürworter des psychoanalytischen ‘Zentrismus’. Die zur Zeit wenigstens verbal Mode gewordenen psychoanalytischen Überbleibsel haben sich entwickelt, indem sie von diesem ursprünglichen Verzicht ausgingen, der das als Geschwätz annehmen ließ, was in seiner kritischen Authentizität nicht angenommen werden konnte. Indem die Psychoanalyse es geduldet hat, ihre revolutionäre Spitze einzubüßen, hat sie sich der Gefahr ausgesetzt, von allen Hütern des bestehenden Schlafs benutzt und gleichzeitig vom ersten besten Psychiater bzw. Moralisten wegen ihrer Unzulänglichkeiten getadelt zu werden.

So hat Professor Baruk, von dem es heißt, er wirke seit fast einem halben Jahrhundert als Oberarzt in Charenton Wunder, bei der letzten Sitzung der ‘Bichat-Gespräche’ großes Aufsehen erregt, als er die Psychoanalyse heruntergemacht hat - er meint, er habe weit Besseres gefunden -, indem er Freud vorwarf, er habe keine andere Lösung als “die der Befriedigung des Individuums zum Schaden der Gesellschaft” gesucht. Andere Verteidiger der Gesellschaft haben aber seit fünf Jahren das für das Konzil ergreifende Experiment einer systematischen Psychoanalyse aller Benediktiner einer Klosters in Cuernauca in Mexiko unternommen. Under the volcano (+) arbeitet das ganze Pack der Irrenanstalten und des neo-römischen Teilhardismus daran, die Erinnerungen an eines der furchtbarsten Ausbrüche zu rekuperieren, die bisher begonnen haben, die moralische Ordnung zu erschüttern. So nimmt ein Lacan in den Pariser Salons unter Bewunderung aller Schwachköpfe Heideggers Rezept wieder auf (mit dem dieser so erfolgreich war, dass viele Schöngeister nicht glauben wollen, dass ein so tiefer Denker wirklich ein Nazi gewesen sein kann). Heidegger und Lacan übernehmen diese dunkle Zersplitterung der Sprache, die sie in der letzten Entwicklungsstufe der modernen poetischen Literatur gefunden haben (und gerade dort hatte diese Zersplitterung einen tiefen Sinn) mit dem einzigen Motiv, Spiegelfechterei zu betreiben. Sie nehmen diesen Stil auf der untersten Stufe des literarischen Talents, aber in ihrem ‘Spezialfach’ wieder auf. Dann wertet der vermeintliche Ernst des Philosophen bzw. Psychoanalytikers die Dunkelheit auf, die bei den letzten Dichtern als ein unmotiviertes und die Bequemlichkeit des Lesers störendes Spiel so sehr kritisiert wurde. Dafür aber verdeckt die hier wirklich leere und hochtrabende Dunkelheit das Nichts ihrer Reden und macht es dem einen und dem anderen möglich, die kulturelle Schau einer Fortsetzung dieser alten philosophierenden Formen des getrennten Denkens zu organisieren, die seit langem vom Denken getrennt, versteinert und tot sind. Ihr Modernismus bekleidet sich in Pompei.