Ratschläge für die Zivilisierten, die generalisierte Selbstverwaltung betreffend

“Opfert den zukünftigen Freuden nicht die Freuden des Tage. Genießt den Augenblick, geht keine Ehe noch andere Bindungen ein, wenn sie euren Leidenschaften nicht zusagen. Wozu wollt ihr für die Zukunft sorgen, da ihre Freuden doch alles übertreffen werden, was ihr euch nur ausmalt, und ihr in der neuen Gesellschaftsordnung nur einen Kummer haben werdet: die Dauer des Tages nicht verdoppeln zu können, um das ganze Gebiet von Genüssen durchstreifen zu können, das sich euch bieten wird.”

Charles Fourier, ‘Ratschläge für die Zivilisierten, die baldige soziale Metamorphose betreffend’.

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Die Bewegung der Besetzungen hat dadurch, dass sie unvollendet blieb, die Notwendigkeit der Aufhebung konfus popularisiert. Die Nähe einer totalen Umwälzung, die alle gespürt haben, muss jetzt zur Entdeckung ihrer Praxis führen: zum Übergang zur generalisierten Selbstverwaltung durch die Errichtung von Arbeiterräten. Die Ziellinie, an die der revolutionäre Elan das Bewusstsein getragen hat, muss von nun an zur Startlinie werden.

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Die Geschichte beantwortet heute die Frage, die Lloyd George an die Arbeiter richtete und die die Diener der alten Welt im Chor wiederholten: “Wenn Ihr unsere gesellschaftliche Ordnung zerstören wollt, was wollt Ihr an ihre Stelle setzen?” Die Antwort kennen wir dank der üppigen Zahl kleiner Lloyd Georges, die die Staatsdiktatur eines Proletariats ihrer Wahl verteidigen und nur darauf warten, dass sich die Arbeiterklasse in Räten organisiert, um sie aufzulösen und eine andere zu wählen.

3

Jedesmal, wenn das Proletariat das Risiko auf sich nimmt, die Welt zu verändern, findet es das globale Gedächtnis der Geschichte wieder. Die Errichtung einer Rätegesellschaft, die bisher mit der Geschichte ihrer Zerstörung in verschiedenen Epochen verwechselt wurde - offenbart die Wirklichkeit ihrer vergangenen Möglichkeiten durch die Möglichkeit ihrer unmittelbaren Verwirklichung. Das wurde allen Arbeitern von dem Moment an völlig klar, als der Stalinismus und seine trotzkistischen Abfallprodukte im Mai durch ihre aggressive Schwäche ihre Ohnmacht demonstrierten, eine eventuelle Rätebewegung zu vernichten, und durch ihr Beharrungsvermögen ihre Fähigkeit, ihr Entstehen noch zu bremsen. Wenn die Rätebewegung auch keinen wirklichen Durchbruch gefunden hat, so war sie doch da und sprudelte unter einem Bogen theoretischer Strenge zwischen zwei widersprüchlichen Polen hervor: der inneren Logik der Besetzungen und der repressiven Logik von Parteien und Gewerkschaften. Wer noch immer Lenin mit ‘Was tun?’ verwechselt, schaufelt sich lediglich eine Müllgrube.

4

Die Ablehnung jeder Organisation, die nicht unmittelbar von dem sich als solches verneinenden Proletariats geschaffen wird, ist von vielen als untrennbar von der Möglichkeit empfunden worden, endlich ein alltägliches Leben ohne tote Zeit zu verwirklichen.

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Der Mai war ein Markstein auf dem Weg der langen Revolution: die individuelle Geschichte von Millionen von Menschen, die jeden Tag auf der Suche nach einem echten Leben sind, traf sich mit der geschichtlichen Bewegung des Proletariats in seinem Kampf gegen die Gesamtheit aller Entfremdungen. Diese spontane Aktionseinheit, die die leidenschaftliche Triebkraft der Bewegung der Besetzungen war, kann ihre Theorie und Praxis nur einheitlich entwickeln. Was in allen Herzen lebte, wird in allen Köpfen sein. Viele, die erlebt haben, dass sie ‘nie mehr so wie vorher und nicht einmal etwas besser als vorher’ leben könnten, neigen dazu, die Erinnerung an ein beispielhaftes Stück Leben und die einen Augenblick lang gelebte Hoffnung auf eine große Möglichkeit auf einer Kraftlinie fortzuführen, der es, um revolutionär zu werden, nur an einer klaren Einsicht in die geschichtliche Konstruktion der freien individuellen Beziehungen und in die generalisierte Selbstverwaltung fehlt.

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Nur das Proletariat, das sich selbst verneint, präzisiert das Projekt der generalisierten Selbstverwaltung; da dieses von ihm objektiv und subjektiv getragen wird. Daher werden die ersten Präzisionen aus der Einheit seines Kampfes im alltäglichen Leben und an der Front der Geschichte entstehen, sowie aus dem Bewusstsein, dass alle Forderungen sofort, aber allein von ihm verwirklicht werden können. In diesem Sinne muss von nun an die Bedeutung einer revolutionären Organisation an ihrer Fähigkeit gemessen werden, ihre eigene Auflösung in der Wirklichkeit der Rätegesellschaft voranzutreiben.

7

Die Arbeiterräte bilden einen neuen Typus gesellschaftlicher Organisation, durch den das Proletariat der Proletarisierung aller Menschen ein Ende macht. Die generalisierte Selbstverwaltung ist nichts anderes als die Totalität, in der die Räte einen Lebensstil einführen, der sich einheitlich auf die permanente individuelle und kollektive Emanzipation gründet.

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Aus dem, was vorausgegangen ist, und aus dem, was folgt, wird klar, dass das Projekt der generalisierten Selbstverwaltung ebenso viele Präzisionen verlangt, wie Begierden jeden Revolutionär erfüllen, und so viele Revolutionäre wie es Leute gibt, die mit ihrem alltäglichen Leben unzufrieden sind. Die spektakuläre Warengesellschaft schafft die Bedingungen der Unterdrückung und - auf widersprüchliche Weise durch die Verweigerung, die sie hervorruft - die Positivität der Subjektivität. Ebenso schafft die gleichfalls aus dem Kampf gegen die globale Unterdrückung folgende Bildung der Räte die Bedingungen einer permanenten Verwirklichung der Subjektivität, deren einzige Schranken in ihrer eigenen Ungeduld liegen, die Geschichte zu machen. Damit ist die generalisierte Selbstverwaltung nichts anderes als die Fähigkeit der Räte, das Imaginäre historisch zu verwirklichen.

9

Außerhalb der generalisierten Selbstverwaltung verlieren die Arbeiterräte ihre Bedeutung. Jeder, der von Räten wie von wirtschaftlichen bzw. gesellschaftlichen Organen spricht und sie nicht in den Mittelpunkt der Revolution des alltäglichen Lebens rückt, muss als zukünftiger Bürokrat, d.h. auf der Stelle als Feind behandelt werden - und zwar mit den entsprechenden praktischen Folgerungen.

10

Es ist eines der großen Verdienste Fouriers, dass er die Notwendigkeit deutlich machte, auf der Stelle - für uns heißt das vom Beginn der generalisierten Selbstverwaltung an - die objektiven Bedingungen der individuellen Emanzipation zu verwirklichen. Der Beginn des revolutionären Moments muss für alle eine sofortige Steigerung der Lust zu leben bedeuten - den bewusst erlebten Eintritt in die Totalität.

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Der beschleunigte Rhythmus, in dem der Reformismus seine Auswürfe ausstößt, die ebenso lächerlich wie linksradikal sind - die Verbreitung maoistischer, trotzkistischer und guevaristischer Häufchen im trikontinentalen Durchfall - hält allen direkt das vor die Nase, was bisher nur die Rechten, insbesondere die Sozialisten und Stalinisten, seit langem gewittert hatten: Teilforderungen schließen in sich die Unmöglichkeit der globalen Veränderung ein. Besser als einen Reformismus zur Verschleierung eines anderen zu bekämpfen, erscheint die Versuchung, diesem alten Trick wie den Bürokraten ein Ende zu machen, in mancher Hinsicht als die Endlösung des Problems der Rekuperatoren. Das setzt die Anwendung einer Strategie voraus, die kraft immer dichter aufeinanderfolgender aufständischer Momente zur allgemeinen Entfesselung führt; ferner einer Taktik, die qualitativ fortschreitend zu notwendig partiellen Aktionen führt, die alle als notwendige und ausreichende Bedingung die Liquidierung der Warenwelt beinhalten. Es ist Zeit, in der positiven Sabotage der spektakulären Warengesellschaft zu beginnen. Solange man das Gesetz der unmittelbaren Lust als Taktik der Massen anwendet, braucht man sich um das Ergebnis keine Sorgen zu machen.

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Es ist einfach, hier nur als Beispiel und Anregung auf einige Möglichkeiten hinzuweisen, von denen die Praxis der befreiten Arbeiter schnell zeigen wird, wie ungenügend sie sind: bei jeder Gelegenheit - offen beim Streik und mehr oder weniger heimlich während der Arbeit - die Herrschaft der Kostenlosigkeit einführen, indem man Freunden und Revolutionären verarbeitete oder aus Lagerbeständen kommende Gegenstände schenkt, für sie Geschenke herstellt (Sender, Spielzeuge, Waffen, Schmuck, Maschinen für die verschiedensten Zwecke) und indem man in den Kaufhäusern die Arbeit verlangsamt bzw. einstellt, um Warenverteilungen zu organisieren; das Gesetz des Tausches brechen und mit dem Ende des Lohnwesens beginnen, indem man sich die Produkte der Arbeit kollektiv aneignet und sich der Maschinen kollektiv zu persönlichen revolutionären Zwecken bedient; die Funktion des Geldes abwerten, indem man die Zahlungsverweigerungen generalisiert (Mieten, Steuern, Ratenzahlungen, öffentliche Transporttarife usw.); die Kreativität aller fördern, indem man Versorgungs- und Produktionsbereiche notfalls in mehreren Anläufen aber stets unter alleiniger Arbeiterkontrolle in Gang setzt und dieses Experiment als eine zwangsläufig tastende und verbesserungsbedürftige Übung betrachtet; die Hierarchien und den Geist der Aufopferung beseitigen, indem man Fabrik- und Gewerkschaftsbosse so behandelt, wie sie es verdienen und den Militantismus ablehnt; überall einheitlich gegen alle Trennungen handeln; aus jeder Praxis die Theorie kristallisieren und umgekehrt, durch Flugblätter, Plakate, Lieder usw.

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Das Proletariat hat bereits den Beweis erbracht, dass es gegen die komplexe Unterdrückung der kapitalistischen und ’sozialistischen’ Staaten mit einer einfachen, von allen und für alle direkt eingesetzten Organisation ankämpfen kann. In unserer Epoche werden die Probleme des Überlebens nur mit der Vorbedingung gestellt, dass sie nicht gelöst werden. Im Gegenteil stellen sich die Probleme der Geschichte, die es zu leben gilt, klar im zugleich negativen und positiven Projekt der Arbeiterräte - positiv als Grundelement einer einheitlichen industriellen und leidenschaftlichen Gesellschaft, negativ als Anti-Staat.

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Da sie keine von der Entscheidung ihrer Mitglieder getrennte Macht ausüben, dulden die Räte auch nur ihre eigene Macht. Überall anti-staatliche Erscheinungen zu fördern heißt deshalb keineswegs, die Errichtung von Arbeiterräten vorwegzunehmen, die damit zwangsläufig die absolute Macht über ihren Einflussbereich entbehren, von der generalisierten Selbstverwaltung getrennt, inhaltsleer und zu Sammelpunkten aller Ideologien würden. Allein die revolutionären Organisationen, die im Räteprojekt ein gleiches Bewusstsein vom Gegner, gegen den sich der Kampf richtet, und von den Verbündeten, die Unterstützung brauchen, entwickeln, sind heute die Kräfte, die der Geschichte, die gemacht wird, mit klarer Einsicht die Geschichte entgegenbringen können, die es zu machen gilt. Mit der Doppelherrschaft, die sichtbar wird, kündigt sich ein wichtiger Aspekt dieses Kampfes vor unseren Augen an. In den Betrieben und Büros, auf den Straßen und in den Häusern, den Kasernen und Schulen beginnt sich eine neue Wirklichkeit abzuzeichnen: die Verachtung der Chefs, unter welchem Namen und wie auch immer sie einen ankläffen. Künftig muss sich diese Verachtung bis zu ihrem logischen Endstadium entwickeln: die gemeinsame Initiative der Arbeiter muss zeigen, dass die Führer nicht nur jede Verachtung verdienen, sondern sogar nutzlos sind und von ihrem Standpunkt aus selbst straflos liquidiert werden können.

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Die jüngste Geschichte wird sich im Bewusstsein der Führer wie auch der Revolutionäre unverzüglich in einer alternativen Form darstellen, die beide betrifft: die generalisierte Selbstverwaltung oder der chaotische Aufruhr, die neue Überfluss-Gesellschaft oder die gesellschaftliche Zersetzung, Plünderung, Terrorismus und Unterdrückung. Schon der Kampf im Rahmen der Doppelherrschaft lässt sich nicht von einer solchen Wahl trennen. Die Kohärenz verlangt, dass die Lähmung und Zerstörung aller Regierungsformen sich nicht vom Aufbau der Räte unterscheidet; vernunftgemäß sollte die elementare Vorsicht des Gegners es mit in Kauf nehmen, dass eine Organisation neuer Beziehungen im alltäglichen Leben entsteht und die Ausdehnung dessen verhindert, was ein Spezialist der amerikanischen Polizei bereits als ‘unseren Alptraum’ bezeichnet, die kleinen Kommandos Aufständischer, die aus den U-Bahn-Tunneln auftauchen, von den Dächern herabschießen und die Beweglichkeit und die unendlichen Variationsmöglichkeiten der Stadtguerilla benutzen, um Polizisten zu beseitigen, die Diener der Autorität zu liquidieren, Aufstände zu schüren und die Ökonomie zu zerstören. Doch ist es keineswegs unsere Aufgabe, die Führer gegen ihren Willen zu retten. Es muss uns genügen, die Räte vorzubereiten und ihre Selbstverteidigung mit allen Mitteln zu sichern. In einem seiner Stücke zeigt Lope de Vega, wie Dorfbewohner, voll Wut über die Erpressungsmethoden eines königlichen Beamten, diesen töten und auf die Fragen der Justizbehörde, die den Schuldigen ermitteln soll, mit dem Namen des Dorfes - ‘Fuenteovejuna’ - antworten. Die ‘Fuenteovejuna’-Taktik, wie sie von vielen asturischen Bergarbeitern gegenüber unvorsichtigen Ingenieuren angewandt wird, hat nur den Fehler, dass sie den Methoden des Terrorismus und der Tradition von ‘watrinage’ (+) zu nahe steht. Die generalisierte Selbstverwaltung wird unser ‘Fuenteovejuna’ sein. Es reicht nicht mehr, dass eine kollektive Aktion die Repression entmutigt (man stelle sich nur die Ohnmacht der Ordnungskräfte vor, wenn die Angestellten einer Bank im Verlauf der Besetzungen den gesamten Geldvorrat verschleudern würden), sie muss noch dazu in der gleichen Bewegung den Fortschritt zu einer immer größeren revolutionären Kohärenz ermutigen. Die Räte sind die Ordnung angesichts des Zerfalls des Staates, der in seiner Form von dem Ansteigen eines regionalen Nationalismus und in seinem Prinzip von den sozialen Forderungen in Frage gestellt wird. Die Polizei kann die Fragen, die sie sich stellt, nur durch eine Schätzung der Zahl ihrer Toten beantworten. Allein die Räte geben eine endgültige Antwort. Was verhindert die Plünderungen? Die Organisation der Verteilung und das Ende der Ware. Was verhindert die Sabotage der Produktion? Die Aneignung der Maschinen durch die kollektive Kreativität. Was verhindert die Explosion von Wut und Gewalt? Das Ende des Proletariats durch die kollektive Konstruktion des alltäglichen Lebens. Nichts anderes als die unmittelbare Befriedigung dieses Projekts rechtfertigt unseren Kampf - nichts als das, was uns unmittelbar befriedigt.

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Die generalisierte Selbstverwaltung schöpft ihre Kraft allein aus dem Schwung der von allen erlebten Freiheit. Das reicht vollkommen aus, um jetzt schon aus der vorausgehenden Strenge ihre Ausarbeitung abzuleiten. Eine derartige Strenge muss von jetzt an die revolutionäre Räteorganisation kennzeichnen, und umgekehrt wird ihre Praxis bereits die Erfahrung der direkten Demokratie beinhalten. Damit wird es uns gelingen, einigen Formeln näher zu kommen. So bedeutet z.B. ein Prinzip wie das der ‘alleinigen Souveränität der Vollversammlung’ auch, dass alles, was sich der direkten Kontrolle der autonomen Versammlung entzieht, alle autonomen Varianten der Unterdrückung als Vermittlungen wiederherstellt. Im Augenblick der Entscheidung muss die gesamte Versammlung mit ihren Tendenzen durch ihre Vertreter vorhanden sein. Wenn die Zerstörung des Staates die Wiederholung eines Witzes wie des Obersten Sowjets verhindern wird, so muss dennoch darauf geachtet werden, dass die Einfachheit der Organisation die Entstehung einer Neo-Bürokratie von vornherein unmöglich macht. Nun erlaubt gerade in dieser Hinsicht der Reichtum der Fernmeldetechnik, die der bestehenden und künftigen Herrschaft der Spezialisten als Vorwand dient, die laufende Kontrolle der Delegierten durch die Basis, die Bestätigung, die Berichtigung bzw. sofortige Missbilligung ihrer Entscheidungen auf allen Ebenen. Telex, elektronische Datenverarbeitung und Fernsehen gehören deshalb unabtretbar zu den Basisversammlungen, sie garantieren ihre Allgegenwärtigkeit. Was die Zusammensetzung der Räte betrifft, die sich wahrscheinlich örtlich, städtisch, regional und international gliedern werden, so erscheint es sinnvoll, dass die Versammlung einzelne Sektionen wählt und kontrolliert: eine Sektion für die Materialbeschaffung, die die Anfragen nach Bedarfsgegenständen entgegennimmt, die Produktionsmöglichkeiten feststellt und beide Sektoren koordiniert; eine Sektion für Information, die in fortlaufender Verbindung mit der Tätigkeit von den anderen Räten steht; eine Sektion für die Koordinierung, die im Rahmen der Möglichkeiten, die der Kampf gewährt, die intersubjektiven Beziehungen bereichert, Fouriers Projekt radikalisiert, sich um die Bedürfnisse der Leidenschaftsbefriedigung kümmert, die Ausrüstung zur Durchsetzung der individuellen Begierden sichert, alles, was Experimente und Abenteuer voraussetzen, bereitstellt und lästige Arbeiten (Reinigung, Kinderbeaufsichtigung, Erziehung, Wettbewerb in der Küchenarbeit usw.) harmonisch nach ihren spielerischen Möglichkeiten gestaltet; eine Sektion für Selbstverteidigung. Jede Sektion ist der Vollversammlung verantwortlich; die Delegierten können jederzeit abberufen werden, sie wechseln turnusmäßig horizontal und vertikal, kommen zusammen und berichten regelmäßig.

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Die Antwort auf das logische Warensystem, das sich auf eine entfremdete Praxis stützt, muss die gesellschaftliche Logik der Begierden mit der aus ihr unmittelbar folgenden Praxis sein. Die ersten revolutionären Maßnahmen werden notwendigerweise die Arbeitszeit und die gesamte versklavende Arbeit auf ein Minimum reduzieren. Die Räte werden sinnvollerweise zwischen prioritären Sektoren unterscheiden (Ernährung, Transport, Fernmeldewesen, Metallindustrie, Bau, Bekleidung, Elektronik, Druckerei, Bewaffnung, Medizin, Komfort und ganz allgemein die gesamte materielle Ausrüstung, die zur ständigen Umgestaltung der geschichtlichen Bedingungen unerlässlich ist), umstrukturierbaren Sektoren, die nach Ansicht der betroffenen Arbeiter für die Zwecke der Revolutionäre entwendet werden können, und parasitären Sektoren, die auf Beschluss der Versammlungen einfach abgeschafft werden. Natürlich werden die Arbeiter der abgeschafften Sektoren (Verwaltung, Büros, Produktionsstätten des Spektakels und der reinen Ware) lieber drei oder vier Stunden in der Woche in einem von ihnen frei gewählten prioritären Sektor tätig sein als acht Stunden täglich am Arbeitsplatz anwesend sein zu müssen. Die Räte werden mit reizvollen Formen der lästigen Arbeiten experimentieren, nicht etwa um deren Mühseligkeit zu verbergen, sondern um diese durch eine spielerische Organisation auszugleichen und soweit wie nur möglich zugunsten der Kreativität zu beseitigen - nach dem Prinzip: ‘Nein zur Arbeit, Ja zum Genuss’. Je mehr sich die Veränderung der Welt mit der Konstruktion des Lebens identifiziert, desto vollständiger verschwindet die notwendige Arbeit in der Lust der Geschichte für sich.

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Die Behauptung, dass die Organisation der Verteilung und der Produktion durch die Räte Plünderungen und Zerstörung von Maschinen und Vorräten verhindert, liegt allerdings immer noch in der alleinigen anti-staatlichen Perspektive. Mit dem, was das Negative hierbei an Trennungen aufrechterhält, werden die Räte als die Organisation der neuen Gesellschaft durch eine kollektive Politik der Begierden fertig werden. Das Ende des Lohnwesens kann schon mit der Errichtung der Räte verwirklicht werden, es beginnt in dem Augenblick, wo die Sektion für ‘Materialbeschaffung und Versorgung’ eines jeden Rates die Produktion und Verteilung nach den Wünschen der Vollversammlung organisiert. Dann werden wir zu Ehren der besten bolschewistischen Prophezeiung die Pissoirs aus massivem Gold und Silber ‘Lenins’ nennen können.

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Die generalisierte Selbstverwaltung hat die Erweiterung der Räte zur Folge. Am Anfang werden die Arbeitsbereiche von den betroffenen, in Räten zusammengeschlossenen Arbeitern übernommen werden. Damit aber die ersten Räte ihren kooperativen Aspekt loswerden, öffnen die Arbeiter sie so schnell wie möglich ihren Gefährtinnen, den Leuten aus dem Viertel und den Freiwilligen aus den parasitären Sektoren, so dass sie schnell zu lokalen Räten werden, die Teile der Kommune sind (evtl. zahlenmäßig etwa gleichgroße Gruppen von acht- bis zehntausend Personen?).

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Die innere Erweiterung der Räte muss mit ihrer geographischen Ausweitung einhergehen. Es gilt, auf die vollkommene Radikalität der befreiten Gebiete achtzugeben - ohne Fouriers Illusion über die Anziehungskraft der ersten Kommunen, aber auch ohne Unterschätzung der Verführungskraft, die jedes Experiment echter Emanzipation in sich trägt, sobald es frei von Lüge ist. So veranschaulicht die Selbstverteidigung der Räte die Formel: ‘Die bewaffnete Wahrheit ist revolutionär’.

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Die generalisierte Selbstverwaltung wird sich eines Tages ihr Gesetzbuch der Möglichkeiten geben, um die tausendjährige Macht der unterdrückenden Gesetzgebung zu liquidieren. Vielleicht kommt es schon unter der Doppelherrschaft zum Vorschein, bevor die Justizapparate und die Aasgeier der Strafbestimmungen ausgerottet sind. Die neuen Menschenrechte - Recht eines jeden, nach seinem Geschmack zu leben, sein Haus zu bauen, an allen Versammlungen teilzunehmen, sich zu bewaffnen, als Nomade zu leben, alle seine Gedanken zu veröffentlichen (jedem seine Wandzeitung), bedingungslos zu lieben; Recht auf Begegnungen, auf materielle Ausstattung zur Verwirklichung seiner Begierden, Recht auf Kreativität, auf Eroberung der Natur; Ende der Warenzeit, Ende der Geschichte an sich, Verwirklichung der Kunst und des Imaginären usw. - warten auf ihre Anti-Gesetzgeber.

Raoul VANEIGEM.