Was die Freunde “Kobras” sind und was sie darstellen

Im Jahre 1958 trachtete eine Art Verschwörung danach, eine neue Avantgardebewegung einzuführen, die sich dadurch auszeichnet, dass sie seit sieben Jahren beendet ist. Es handelt sich um “Kobra”, die sich selbst nie deutlich, sondern nur durch Andeutungen, die ihre Aktualität zur Folge haben, vorgestellt hat. In gewissen Fällen wird ihr eine Herkunft fest- und ihre Beständigkeit vorausgesetzt. So wird in ‘France Observateur’ vom 18. September über den Maler Corneille z.B. geschrieben: “Zu dieser Zeit(1950) nimmt er an der Gründung der Künstlergruppe “Reflex” teil, die sich der Avantgardebewegung “Kobra” eingliedern wird.” In anderen Fällen, wo man bisher nie von “Kobra” gesprochen hatte, täuscht man sichtlich vor, sie hätte sich erst vor kurzem gebildet, wie z.B. in ‘ Le Monde’ vom 31 .Oktober, in der uns vorgestellt wird: “… der Holländer Rooskens, ein Mitglied der Avantgardebewegungen “Reflex” und “Kobra”, beim Zusammenfluss der lyrischen Abstraktionen und afrikanischen ästhetischen Einflüsse.”

Wie sieht die Wirklichkeit aus? Zwischen 1948 und 1951 hat es eine ‘Internationale der Experimentalkünstler’ gegeben, die nach dem Namen ihrer Zeitschrift öfters ‘Kobra’ genannt wurde - wobei dieser Titel: Kopenhagen-Brüssel-Amsterdam ihre fast ausschließliche nordeuropäische Verwurzelung offenbarte. Die Zeitschrift “Reflex”, das Organ der holländischen Experimentalgruppe vor der internationalen Verbindung und Veröffentlichung von “Kobra”, hatte 1948 insgesamt nur zwei Nummern. Die Gruppen der “Kobra”-Bewegung hatten sich bei der Proklamation einer Experimentalforschung auf dem kulturellen Gebiet vereinigt. Dieser positive Aspekt wurde aber durch die ideologische Konfusion lahmgelegt, die durch eine starke neo-surrealistische Beteiligung erhalten wurde. Praktisch konnte “Kobra” kein anderes Experiment als das eines neuen Malstils durchführen. 1951 setzte die Internationale der Experimentalkünstler ihrer Existenz ein Ende. Die Vertreter ihrer fortgeschrittenen Tendenz setzten ihre Forschung unter anderen Formen fort. Gewisse Künstler aber gaben ihre Beschäftigung mit einer experimentellen Aktivität auf, benutzten im Gegenteil ihr Talent dazu, den besonderen Malstil in Mode zu bringen, der als einziges greifbares Ergebnis des “Kobra”-Versuches geblieben war(wie z.B. im UNESCO-Palast).

Der kommerzielle Erfolg ehemaliger Mitglieder der “Kobra”-Bewegung hat andere, mittelmäßigere Künstler, die nur sehr wenig Bedeutung sowohl innerhalb von “Kobra” als auch später gehabt hatten, dazu ermuntert, von verschiedenen Seiten aus Intrigen zu schmieden, um die Mystifikation einer ununterbrochenen, ewig jungen und im 1948er Stil klassisch experimentellen “Kobra”-Bewegung in Umlauf zu bringen, in der ihre ziemlich gering geschätzte Ware unter demselben angesehenen Aushängeschild wie Corneille und Appel Absatz finden könnte.

Dotremont, der ehemalige Leiter der Zeitschrift “Kobra” stand für diesen Schwindel ein, der nur gefallen konnte. Tatsächlich setzten die in dieser Kombination verbundenen Künstler, egal ob sie nun am kurzen Experiment in den Jahren 1948-1951 teilgenommen haben oder nicht, ihren Werken einen angeblichen “theoretischen” Wert hinzu, indem sie sich auf eine organisierte Bewegung berufen, Andererseits sind die Individuen, die die Beurteilung und den Verkauf der aufgelösten Wiederholungen der modernen Kunst kontrollieren, daran interessiert, glauben zu lassen, die betreffenden Gegenstände seien die Produkte einer wirklichen, bahnbrechenden Bewegung. Dadurch bekämpfen sie wirkliche Veränderungen, deren vorausgesehene Weite ihr praktisches Verschwinden aus ihren Ämtern sowie den ideologischen Misserfolgen ihres ganzen Lebens zur Folge haben muss. (Die Zuneigung der herrschenden, kulturellen Elite für die zurückfließenden Bewegungen und ihre praktische Aufmerksamkeit darauf, deren stärkstes Beispiel der surrealistische Fall bleibt, fängt sogar an, durch gewisse lettristische Schallplatten zum Vorschein zu kommen - trotz des fast absoluten Widerstands, auf den der Lettrismus seinerseits gestoßen ist, und den Betriebsschwierigkeiten, die aus der besonderen Natur dieser Bewegung hervorgehen.)

Wahrscheinlich werden doch die sich jetzt um “Kobras” Fahne entwickelnden Anstrengungen trotz der günstigen Verhältnisse nicht sehr weit gedeihen. Anfang 1958 hatten sich die Neo-Kobras des Amsterdamer Stadtmuseums bemächtigt, in dem damals eine skandalöse Manifestation der Bewegung stattgefunden hatte und dessen beginnender und äußerst überschätzter Pariser Ruf gewissen Journalisten, Liebhabern des aufgewärmten Kobras und der alten kulturellen Welt der Museen, zugerechnet werden soll. Die Neo-Kobras hatten die Organisation einer großen, sehr eklektischen Ausstellung vor, die dann in andere Hauptstädte reisen und besonders den amerikanischen Markt beeindrucken sollte. Die Situationisten, die in dieses gute Geschäft mit einbezogen waren, weil zwei von ihnen eine führende Rolle in “Kobra” gehabt haben, gaben bekannt, dass sie diese Ausstellung nur unter einer rein historischen Form annehmen könnten, deren Einschätzung einem von ihnen bestimmten Sekretär obliegen würde, und dass sie gezwungen sein würden, jedem Versuch irgendwelcher Art entgegenzutreten, “Kobra” als eine aktuelle Forschungsbewegung darzustellen. Unserer Opposition gegenübergestellt nahm das Stedelijk-Museum sein Einverständnis zurück. Deshalb kann auch die jetzige Kampagne für “Kobras” Auferweckung nur andeutungsweise geführt werden und sie wird keinen irgendwie wichtigen Erfolg erzielen können, denn seine Urheber können keinen so beträchtlichen Rückhalt wiederfinden, der es ihnen möglich macht, die Teile bzw. Bruchstücke ihrer Pseudobewegung heute klar zusammengesetzt zu zeigen.

Der niederträchtige Charakter dieses Versuchs eines neuen Anfangs leuchtet jedem ein, der das von “Kobra” vor 10 Jahren gebilligte Programm kennt, wie das Manifest der holländischen Experiment-Gruppe, das von Constant verfasst und in der ersten Nummer von “Reflex” veröffentlicht wurde, es darlegt:

“Durch den historischen Einfluss der höheren Klassen wurde die Kunst immer mehr in eine Abhängigkeitsstellung hineingetrieben, die nur außerordentlich begabten Geistern zugänglich ist, die allein fähig sind, den verschiedenen Formalismen ein wenig Freiheit abzuringen.

So entstand die individualistische Kultur, die zusammen mit der Gesellschaft, die sie erzeugt hat, verurteilt ist, da ihre Konventionen keine Möglichkeit mehr für die Phantasie und die Begierden bieten und sogar den Ausdruck des menschlichen Lebens verhindern…

Eine Kunst des Volkes kann heute den Auffassungen des Volkes nicht entsprechen, da das Volk, solange es an der künstlerischen Schöpfung nicht aktiv teilnimmt, nur die historisch aufgezwungenen Formalismen verstehen kann. Ein lebensnaher, direkter und kollektiver Ausdruck - das kennzeichnet eine Kunst des Volkes.

Es wird eine neue Freiheit entstehen, die den Menschen erlaubt, ihr Verlangen nach schöpferischer Tätigkeit zu befriedigen. Durch diese Entwicklung wird der Berufskünstler seine privilegierte Stellung verlieren - daher der Widerstand der aktuellen Künstler.

In der Übergangsperiode befindet sich die schöpferische Kunst in einem Zustand des permanenten Konflikts mit der bestehenden Kultur, während sie zu gleicher Zeit eine zukünftige Kultur ankündigt. Durch diesen doppelten Aspekt, dessen psychologische Wirkung eine immer größere Bedeutung hat, spielt die Kunst in der Gesellschaft eine revolutionäre Rolle. Der bürgerliche Geist herrscht immer noch über das ganze Leben und er bringt sogar den Massen eine vorgefertigte Volkskunst.

Nie war die kulturelle Leere so offensichtlich wie seit dem letzten Krieg …

Jede Veränderung dieser Kultur scheint unmöglich zu sein. Man sollte sich zuerst der alten kulturellen Fetzen entledigen, die uns eher daran hindern, einen künstlerischen Ausdruck zu finden, als uns einen zu ermöglichen. Die problematische Phase in der Geschichte der modernen Kunst ist zu Ende und es folgt ihr jetzt eine Experimentalphase. Das bedeutet, dass das Experiment einer Periode der unbegrenzten Freiheit uns erlauben soll, die Gesetze einer neuen Kreativität zu finden.”

Diejenigen, die der Linie eines solchen Programms gefolgt sind, gehören heute natürlich zur Situationistischen Internationalen.