Situationistische Position zum Verkehr

1

Alle Urbanisten begehen den Fehler, den Personenwagen - und seine Nebenprodukte wie z.B. den Motorroller - hauptsächlich als Transportmittel zu betrachten. Im Wesen ist dieser die hauptsächliche Materialisierung eines Konzepts von Glück, das der entwickelte Kapitalismus über die ganze Gesellschaft zu verbreiten neigt. Das Auto als höchstes Gut eines entfremdeten Lebens und untrennbar davon als Hauptprodukt des kapitalistischen Marktes steht im Mittelpunkt derselben globalen Propaganda: so wird dieses Jahr gewöhnlich gesagt, der amerikanische wirtschaftliche Wohlstand hängt bald vom Erfolg des Werbeslogans “Zwei Wagen pro Familie” ab.

2

Die Transportzeit, das hat Le Corbusier richtig gesehen, ist eine zusätzliche Arbeit, die den Tag des sogenannten freien Lebens um ebensoviel verkürzt.

3

Wir müssen vom Verkehr als zusätzliche Arbeit zum Verkehr als Vergnügen übergehen.

4

Wer die Architektur nach der jetzigen, massiven und parasitären Existenz der Personenwagen neugestalten will, der verlagert das Problem sehr unrealistisch. Man muss die Architektur gemäß der gesellschaftlichen Gesamtbewegung umgestalten, indem man all die vorübergehenden Werte kritisiert, die mit verurteilten Formen der sozialen Verhältnisse - unter denen die Familie an erster Stelle steht - verbunden sind.

5

Wenn man auch die absolute Teilung zwischen Arbeits- und Wohnzonen für eine Übergangsperiode provisorisch gelten lassen kann, muss wenigstens eine dritte Sphäre vorausgesehen werden - und zwar die des Lebens selbst (die Sphäre der Freiheit, der Freizeit - die Wahrheit des Lebens). Bekanntlich kennt der unitäre Urbanismus keine Grenzen; er erhebt den Anspruch, eine totale Einheit der menschlichen Umwelt zu bilden, in der Trennungen wie Arbeit - kollektive Freizeit - Privatleben letztlich aufgelöst werden. Bis dahin aber stellt der sich über alle wünschenswerten Bauwerke erstreckende Spielplatz das Minimumprogramm des unitären Urbanismus dar. Dieser wird auf derselben Ebene der Vielseitigkeit liegen wie eine alte Stadt.

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Es handelt sich nicht darum, das Auto als ein Übel zu bekämpfen. Nur seine extreme Konzentration in den Städten läuft auf die Verneinung seiner Rolle hinaus. Freilich darf der Urbanismus das Auto nicht ignorieren, es aber noch weniger als Hauptthema gelten lassen. Er muss mit seinem Absterben rechnen. Auf jeden Fall kann man voraussehen, dass es innerhalb gewisser neuer Siedlungen sowie einiger alter Städte verboten wird.

7

Diejenigen, die an die Ewigkeit des Autos glauben, denken nicht an andere zukünftige Transportformen - nicht einmal von einem engen technischen Standpunkt aus. So werden wahrscheinlich einige von den Modellen von individuellen Hubschraubern, die zur Zeit in der US-Armee erprobt werden, schon in den nächsten 20 Jahren in der Öffentlichkeit verbreitet werden.

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Der Bruch in der Dialektik der menschlichen Umwelt zugunsten des Autos (es wird der Bau von Autobahnen in Paris geplant, was die Zerstörung Tausender von Wohnungen nach sich zieht, während die Wohnungskrise immer schlimmer wird) verschleiert seine Irrationalität mit pseudo-praktischen Erklärungen. Seine wirkliche praktische Zwangsläufigkeit entspricht aber einem bestimmten gesellschaftlichen Zustand. Diejenigen, die an die Permanenz der Angaben des Problems glauben, wollen eigentlich an die Permanenz der gegenwärtigen Gesellschaft glauben.

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Die revolutionären Urbanisten werden nicht nur für den Verkehr der Dinge und der in einer Welt der Dinge erstarrten Menschen sorgen. Sie werden versuchen, diese topologischen Ketten zu brechen, indem sie Gelände für den Verkehr der Menschen durch das authentische Leben ausprobieren.

DEBORD